Rekonstruktion Kö(f) II

 
 

Die Bauart:

Anfang der 30er Jahre bestand ein großer Bedarf an Kleinlokomotiven der Leistungsklasse II. Daraufhin wurde von der DRG in Zusammenarbeit mit mehreren deutschen Lokomotivherstellern eine Einheitsbauart entwickelt, welche für den Rangierdienst auf Regelspurbahnanlagen gedacht war. Dies war die Geburtsstunde der Kö II. Ab 1933 wurden diese Kleinloks in größeren Stückzahlen von verschiedenen Herstellern gebaut. Als Antrieb dienten “kleine” Diesel-(Öl-)motoren mit Leistungen von 50 - 107 PS, die Kraftübertragung erfolgte anfangs über 4-stufige Zahnradgetriebe mit nachfolgendem Rollenkettenantrieb auf beide Achsen, später wurden anstatt der mechanischen Getriebe auch Flüssigkeitsgetriebe eingesetzt. Diese Kleinloks liefen unter der Bezeichnung Köf II.
Die für zivile Zwecke entwickelte Lok fand auch Verwendung im 2. Weltkrieg. Einige dieser Loks haben den Krieg gut überstanden, beschädigte Maschinen wurden teilweise wieder aufgearbeitet. Mangels Rangierlokomotiven dieser Leistungsklasse wurden zu Beginn der 50er bis Mitte der 60er Jahre diese Loks nach der Grundkonzeption von 1933 in einigen Werken wieder nachgebaut, die Gesamtsauflage betrug bis dahin ca. 1600 Stück.
Während des Aufenthaltes in Ausbesserungswerken wurden die meisten Loks umgerüstet. Teilweise erhielten sie stärkere Motoren, mitunter wurden Getriebe geändert, auch gab es bauliche Veränderungen.
Aufgrund der langen und individuellen Entwicklung ist es nicht verwunderlich, daß diese Loks in den unterschiedlichsten Ausführungen und Ausstattungen anzutreffen sind. Abhängig von Hersteller, Motor- und Getriebevarianten, bis hin zu diversen Modifizierungen, hat (fast) jedes dieser heute noch existierenden Exemplare ihr eigenes Erscheinungsbild. Die LüP reicht bspw. von 6045 mm bis 7830 mm (typisch 6450 mm), Motorisierungsvarianten von 80 PS bis 125 PS sind anzutreffen. Noch heute versehen einige dieser Loks bei verschiedenen Bahngesellschaften - auch bei Privatbahnen - zuverlässig ihren Dienst.


Das Vorbild:

1934 produzierte die BMAG (Berliner Maschinenbau AG) die Kö II mit der Fabriknummer 10224. Nach dem Krieg ging die Lok in den Bestand der Deutschen Reichsbahn ein. Mit Einführung der EDV-Nummern 1970 lief diese unter der Bezeichnung 100 325-0. 1984 wurde die Lok im RAW "Ernst Thälmann" in Halle zur 199 010 für den Einsatz bei den Harzer Schmalspurbahnen auf Meterspur umgebaut und erhielt einen orangen Anstrich. 1993 übernahm die Harzer Schmalspurbahnen GmbH neben zwei weiteren Maschinen diese Schmalspur-Kö. Momentan ist die Lok "z"-gestellt, der Freundeskreis Selketalbahn e.V hat sie in Pflege genommen und beabsichtigt ihre betriebsfähige Aufarbeitung.


Vorgeschichte:

In meiner Kindheit begegnete ich dieser Bauart häufig. Diese kleine, schwarze Lok der Baureihe 100 hatte ihren eigenen Charme, der mich immer wieder faszinierte. Diese musste ich haben! Zur Not auch als Modell. In den damals für mich relevanten Maßstäben (HO, TT) war ein Modell nicht erhältlich, ein Selbstbau ausgeschlossen. Und so blieb nur die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Diese kamen ca. 2000 durch Umspurung meines zwischenzeitlich stillgelegten Modellbahnhobbys auf 45mm. Bald hörte ich von den auf Meterspur laufenden Maschinen im Harz, sah kurz darauf auch ein solches Modell von Magnus, welches preislich leider nicht in meiner Reichweite lag. Durch Zufall ergab sich 2001 ein Kontakt mit einem Kleinserienhersteller, welcher eine originalgetreue Nachbildung in Handarbeit - zu einem zwar erheblichen, aber für mich erschwinglichen Preis versprach.


Vom Totalschaden zum Modell:

In Erwartung einer schnellen Befriedigung meines Modellwunsches, traf 14 Tage später das Paket mit dem "Handarbeitsmodell" ein, in ihm aber eine Enttäuschung. Nur von weitem betrachtet hatte diese Lok etwas mit dieser Bauart gemeinsam. Aufgrund des Transportes und äußerst mangelhafter Verarbeitung hatten sich die Gewichte und eine Vielzahl der in Wellenlinien sitzenden Nieten gelöst, der Motor war aus seiner labilen Arretierung gefallen und drehte leer durch. Ganz zu schweigen von einem verzogenen und windschiefen Gehäuse, grob ausgeführten Details, wesentliche Anbauten fehlten gänzlich. Grat an den Kanten und der lieblose Pinselanstrich, welcher noch nicht einmal die Anrißlinien vertuschte, waren noch das geringste Übel. Das Gehäuse des Modells war durchgängig aus 3 mm PVC zusammengeklebt, Griffe aus 2 mm Drähten bzw. 3mm dicken PVC Vierkantzuschnitten gefertigt, Lampenimitationen aus Stapeln von Unterlegscheiben, das "Lüftungsgitter" bestand aus 4 abgezwickten 4 mm (!) Nägeln, usw., usf.. Durch den kurzen Radstand des Antriebes (LGB Draisine) scherte das 27 cm kurze Modell in R1-Kurven hinten so weit aus, dass angehängte Wagen aus den Schienen gehebelt wurden, aber der schwache Einachsantrieb ließ eh keine Anhängelast zu, Steigungen waren tabu. Wenigstens die Proportionen und der "Maßstab" stimmte optisch.

Es gab zwei Möglichkeiten: Geld zurück und weiter träumen oder Restauration - sicher nicht für jeden nachvollziehbar, ich habe mich für die zweite Variante entschieden.


Das Pflichtenheft:

Als erstes wurden die Anforderungen bestimmt, die ich von einem Köf-Modell erwarte. Mangels ausreichender Unterlagen über das Original war eine vorbildgerechte Aufarbeitung nicht sinnvoll. So wurden die Kriterien unter Berücksichtigung des eigenen Anspruches und der zur Verfügung stehenden Fertigungsmöglichkeiten ausgewählt:

Form, Maße und Proportionen sollten mich wieder an die Bauart erinnern, die ich kenne. Nicht an einen schweren Unfall. Es sollte die ursprüngliche offene Bauart erhalten bleiben

An Details und Anbauten sollten jene angebracht werden, welche für diese Bauart charakteristisch sind

Die Zugkraft sollte für größere Rangieraufgaben ausreichen, ca. 5 4achsige Wagen bei 3% Steigung. Da auf meiner Anlage später auch ein Spur-II (Regelspur)-Betrieb geplant ist, sollte eine spätere Umspurung des Modells auf 64mm ohne größeren Aufwand wieder möglich sein

Das Modell sollte wetterfest, robust und alltagstauglich sein

Aus zeitlichen Gründen sollte die Aufarbeitung im wesentlichen als Feierabendbastelei während meiner regelmäßigen Dienstreisen mit einfachen Handarbeitswerkzeugen durchgeführt werden. Motto: "mit Cuttermesser auf Bettkante". Zeitaufwand: spielt keine Rolle, wird sowieso nie "fertig"

Abschließend Digitalisierung und Sound, deutliche Alterung - das Modell kommt wahrlich nicht aus der Waschanlage

Der Kompromiss, dass dieses Modell kein exaktes Vorbild hat, wurde gern in Kauf genommen, da die Forderung nach späterer Umspurung auf 64 mm sowieso nur ein "Best Of"-Modell zuließ. Weiterhin sollte alles in Eigenherstellung erfolgen, keine Auslagerung von Lohnarbeit.

Darauf folgend sammelte ich aus dem Internet hunderte von Fotos, Abbildungen und Informationen über die verschiedensten Köf-Varianten. Nach diesen Unterlagen wurden die Maßnahmen zur Rettung des Modells festgelegt.


Der Bau:

Mit Säge, Stechbeitel und Cuttermesser ging es an die Arbeit, das Modell wurde "entkernt" und zum Teil wieder in seine Einzelteile zerlegt. Mitunter ging das ganz leicht mit dem Fingernagel, an anderen Stellen nur mit roher Gewalt. Sämtliche "Details" - von denen ich teilweise bis heute nicht weiß, was sie darstellten sollten - wurden entfernt, verwertbare Gehäuseteile feilte ich winklig und auf Maß, so dass das Chassis wieder zusammengesetzt werden konnte. Dann kam die Drecksarbeit: Aufwendiges Spachteln und Schleifen - ein Gebrauchtwagenhändler käme dafür ins Gefängnis. Bewährt hat sich hier Karosseriespachtel von Nigrin (Kfz-Zubehör), welcher eine ausgezeichnete Haftung auf PVC hat. Anschließend wurde der Motorvorbau zur Hälfte mit Stangenblei gefüllt und mit Kunstharz ausgegossen.

Das Dach wurde komplett neu aus 0,3 mm Messingblech angefertigt, die beiden Spanten sind eingelötet. An diesen wird das Dachelement an der Rück- und Vorderwand des Führerhauses befestigt. Die dazwischen mit Silikon eingeklebte PVC-Platte dient der Aufnahme des Lautsprechers für den Sound - hier noch mit dem "provisorischen Billiglautsprecher".

Die Nieten sind 1 mm Rundkopfmessingstifte. Um diese schnurgerade und in gleichmäßigen Abständen zu platzieren, diente eine Lochrasterplatte aus dem Elektronikbedarf als Bohrschablone. Wichtig für die Optik ist, dass die Nieten dort angebracht sind, wo sich im Original auch tatsächlich Träger oder Rahmenelemente befinden.

Etwas komplizierter gestaltete sich die Fertigung der "Backen" (seitliche Abdeckungsbleche an der Motorhaube). Diese sollten so gefertigt sein, dass die Pyramidenform nur wenig hervorsteht, außerdem grifffest sind. Zu diesem Zweck musste ausnahmsweise auf maschinelle Unterstützung zurückgegriffen werden.

Unter Zuhilfenahme eines Kreisteiltisches wurde ein Stempel aus hartem Aluminium gefräst. Mit diesem und einer 1cm dicken Polyuhrethanplatte konnte die Form in 0,3 mm Aluminiumblech gedrückt ("tiefgezogen") werden. Dazu reicht ein kräftiger Schraubstock. Die so entstandenen Rohlinge wurden anschließend auf Maß geschnitten, mit Kunsthatz und Spachtel hinterfüllt und plan geschliffen. Für den äußeren "Rahmen" wurden Schablonen aus Selbstklebefolien geschnitten. Diese auf Messingblech aufgeklebt, wurde es dann trenngeätzt - eine mechanische Fertigung hätte die filigranen Rahmen höchstwahrscheinlich verbogen. Am Ende wurden die Teile aufgeklebt, die Rahmen außerdem mit Messingstiften (Löcher vorgeätzt) befestigt.
Für die Imitation des Kühlergitters fand sich schnell ein Kühlkörper einer 486er CPU, welcher auf Breite und Länge gekürzt ein hervorragendes Bild abgibt.

Die Frontscheinwerfer bestehen aus innen weiß gestrichenem 8 mm Messingrohr, die Halterung aus Messingblech ist angelötet, ebenso die in den Ecken befindlichen Messingstifte, welche diese wiederum im Chassis verankern. Das Scheinwerferglas besteht aus gegossenem Kunstharz, aus Gründen der Langlebigkeit kamen später zur Beleuchtung weiße LED’s zum Einsatz. Da diese ein sehr kaltes Licht ausstrahlen, wurden sie mit gelbem Tauchlack dünn überzogen, zwecks Streuung des "Scheinwerferkegels" vorn etwas(!) abgeschliffen. Das Gleiche gilt für die Scheinwerfer auf der Rückfront, hier wurde allerdings auf handelsübliche LED-Fassungen zurückgegriffen (Conrad 185310-xx), die Lampengläser sind allerdings auch aus Kunstharz nachgefertigt. Die Stromversorgung der jeweils in Fahrtrichtung in Reihe geschalteten LED’s realisierte ich mittels zweier 12 mA Konstantstromquellen (Conrad 185027-xx), ab ca. 7 V Schienenspannung hat man konstante Helligkeit im Analogbetrieb, die Spannungsfestigkeit von 30 V ist völlig ausreichend.

Griffe, Griffstangen, Leitungen und andere Applikationen bestehen im wesentlichen aus unterschiedlichsten Messingstangen bzw. -profilen, aber auch weiteres Aluminiumblech und Trinkröhrchen (Auspuff) fanden Verwendung. Die Handläufe am oberen Teil bestehen aus 1,5 mm verkupferten Schweißdraht (nicht biegbar, Griffstelle!)

Die Fenster wurden verglast und erhielten einen Scheibenwischer, bestehend aus Heftklammern und Messing L-Profilen. Wenige Zurüstteile wie z.B. Puffer, Bremsschläuche und Werkzeugklappen entspringen LGB-Ersatzteilen, Hauptluftkessel und Signalhorn sind die einzigen Drehteile. Die Radkränze wurden ebenfalls etwas abgedreht.
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Vor der farblichen Behandlung kam Füller aus der Spraydose zum Einsatz, zwecks Haftgrund der nachfolgenden Lackierung und Glättung der Oberfläche. Insbesondere gab es noch eine Extraportion auf die Backen, um dort die aufgesetzten Teile optisch zu verschmelzen. Die Lackierung selbst erfolgte mit Airbrush, nach dem Aufbringen der vorläufigen Beschriftung erfolgte die Alterung. Die Beschriftung wurde mittels Thermotransferdruck auf Selbstklebefolie hergestellt. Diese Arbeiten, als auch alle anderen Folienschneidarbeiten (Schablonen, etc) wurden auf einem "Print en Cut"-Plotter (Roland PNC-5000) erledigt.
Zum Schluss erfolgte die Elektrifizierung, für die Motorisierung fand sich ein Antrieb von Aristo-Craft, welcher mit 100 mm Achsabstand dem Vorbild ziemlich nahe kommt (original 2530 mm). Überzeugend auch, dass eine Achse pendelnd aufgehängt ist. Dadurch haben immer alle 4 Räder Schienenkontakt, auf zusätzliche Schienenschleifer zur Stromabnahme konnte verzichtet werden. Die Traktion ist aufgrund des hohen Eigengewichtes des Modells ausgezeichnet. Spätere Tests auf stark verschmutzter Außenanlage mit Digitalansteuerung ergaben wenig Störungen.

Für die Digitalisierung mit Sound ist ein ESU Loksound Decoder XL verantwortlich, angebotene Soundaufnahmen einer Köf von ESU wurden weitestgehend übernommen. Decoderwerte (Register) für die Fahreigenschaften wurden modellgerecht an das Original angepasst. Der Decoder befindet sich auf der Trägerplatte der Antriebseinheit und ist somit vor Spritzwasser geschützt. Links neben dem Decoder sind die Micro-Konstantstromquellen zu erkennen. Diese sind, ebenso wie der Decoder, mittels doppelseitigem Klebebandes befestigt.

Schlussbetrachtung

Sicher wird man sich fragen, ob ein Neubau nicht einfacher gewesen wäre. Die Frage ist berechtigt, in Anbetracht des Ergebnisses aus meiner Sicht irrelevant. Der Bau dieser Kö(f) sollte eigentlich dem Sammeln von Erfahrungen dienen, außerdem hat eine Rekonstruktion den motivierenden Vorteil, dass man während der gesamten Bauphase ohne viel Phantasie ein "fast fertiges" Modell vor sich hat. Daraus entwickelte sich kontinuierlich ein individuelles Modell, an dem weitere Verbesserungen bzw. Umbauten noch geplant sind. Für die Zukunft sind Arbeiten an der Inneneinrichtung, digital steuerbare Entkupplungsautomatik, auswechselbare Spurverbreiterung für Spur II, als auch verbesserte Beschriftung geplant.

Selbstredend, dass meine Kö(f) momentan die Lok ist, welche bei mir die meisten Betriebsstunden absolviert. Aber auch in der Vitrine reiht sie sich zwischen LGB und Modellen namhafter Kleinserienhersteller gut ein.

Mein Dank gilt allen Freunden, die mich mit Informationen, Tipps und Ideen versorgten, besonderen Dank an Peter Bauer (Weingut, Pfalz) für die spirituelle Unterstützung.

Das Projekt ist vorläufig - aufgrund anderer Modellbaubasteleien - abgeschlossen.


Eckdaten:

Material: PVC, Kömacell, Messing, Aluminium

Bauzeit: grob geschätzt ca. 100 Stunden

Gewicht: 2200 g

LüP: 290 mm

Kosten: (incl. "Rohling") ca. 500 Euro